Der Hessische Landtag hat heute in einer Sondersitzung über die neuen, weitreichenden Infektionsschutzmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie debattiert.
In der Aussprache zur Regierungserklärung kritisierte die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Nancy Faeser, die Art und Weise, in der die schwarzgrüne Landesregierung seit Beginn der Pandemie sowohl mit dem Parlament als auch mit den Bürgerinnen und Bürgern des Landes kommuniziert habe. „Die wichtigsten Ressourcen all jener, die in diesen Zeiten schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen, sind Akzeptanz und Vertrauen. Beides lässt sich nicht erhalten, wenn es den Aussagen der Landesregierung an Klarheit fehlt, wenn Sinn und Wirksamkeit von Infektionsschutzmaßnahmen nicht nachvollziehbar erklärt werden und wenn in Hessen verboten wird, was in Bayern möglich ist. Eine Landesregierung, die per Verordnung durchregiert, die nicht ausreichend erklärt, warum schmerzliche Einschränkungen im Alltag erforderlich sind, die setzt die Akzeptanz der Infektionsschutzregeln in der Bevölkerung aufs Spiel“, kritisierte Nancy Faeser.
Auch ihre Fraktion sei überzeugt, dass die aktuelle Infektionswelle mit entschlossenen Maßnahmen gebrochen werden müsse, so Faeser. Deswegen trage die SPD im Hessischen Landtag die von Bund und Ländern beschlossenen Infektionsschutzregeln und die damit verbundenen Einschränkungen im täglichen Leben grundsätzlich mit, so schmerzlich diese auch seien. Angesichts der dramatisch ansteigenden Infektionszahlen sei es unabdingbar, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihre sozialen Kontakte – auch innerhalb der Familie – so weit wie möglich reduzierten. „Das darf man aber nicht nur verordnen“, sagte Nancy Faeser, „man muss auch sagen, wie es weitergehen soll für die Restaurants und Hotels, für die Kinos und Theater, für die Sportvereine und die Schausteller. Zum Regieren gehört es, auch in schwierigsten Situationen eine Perspektive anbieten zu können. Das tut die Landesregierung zu meinem Bedauern nicht.“
Die SPD-Fraktionsvorsitzende kritisierte, das schwarzgrüne Kabinett habe die Zeit seit dem Ausbruch der Pandemie nicht genutzt, um das Land auf das vorzubereiten, was nun eingetreten sei – eine zweite Infektionswelle, größer noch als die im Frühjahr. „Hessen hat bis heute keine Teststrategie, die klärt, welche Gruppen wann mit welcher Priorität auf das Corona-Virus getestet werden. Es gibt für die Schulen bis heute kein landesweites Konzept für die Kombination aus Präsenz- und Fernunterricht, es gibt keine verbindlichen Handreichungen für Hygienestandards in Schulen und Kitas. Wenn einem nach Monaten des Nachdenkens in der aktuellen Lage nicht mehr einfällt, als die Aufforderung, öfter mal zu lüften, dann hat man seinen Job nicht gemacht“, sagte Nancy Faeser.
Das Land müsse auch festlegen, welche Gruppen mit welcher Priorität geimpft würden, sobald ein wirksamer Impfstoff gegen das Corona-Virus verfügbar sei. „Auch das muss man jetzt machen, nicht erst dann, wenn der Wirkstoff auf dem Markt ist“, so Nancy Faeser.
Sie kritisierte auch den Umgang der Landesregierung mit dem Parlament: Es sei nicht akzeptabel, dass der Landtag regelmäßig erst nach den Medien über neue Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz informiert worden sei. Und mit dem verfassungswidrig zustande gekommenen Corona-Schattenhaushalt habe die Landesregierung das Tischtuch willentlich zerschnitten, stellte Nancy Faeser fest.
Ungeachtet der inhaltlichen Mängel mancher Maßnahme und der miserablen Kommunikation der Landesregierung appelliere sie an die Vernunft aller Menschen im Land, so Faeser: „Übernehmen Sie Verantwortung für sich und andere. Bleiben Sie zu Hause. Waschen Sie sich die Hände. Halten Sie Abstand. Tragen Sie eine Maske. Es ist ein Ausdruck des Mitdenkens und der Mitmenschlichkeit, die Regeln des Infektionsschutzes einzuhalten. Und wenn wir das konsequent tun, dann erreichen wir vielleicht das nächste Etappenziel: Weihnachten gemeinsam zu feiern mit denen, die uns wichtig sind.“