Der Hessische Landtag hat am späten Mittwochabend über einen Antrag der Fraktion DIE LINKE debattiert, die sich unter der Überschrift „Klima schützen, Leben retten, entspannter reisen“ für die Einführung einer allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen einsetzt.
In der Debatte erläuterte der SPD-Abgeordnete Knut John, dass auch seine Fraktion die positiven Effekte eines Tempolimits sehe. Allerdings werde insbesondere die Reduzierung des Schadstoffausstoßes oftmals überschätzt: „Das Umweltbundesamt sagt, dass bei Tempo 120 auf der Autobahn im Jahr ungefähr drei Millionen Tonnen CO2 weniger anfallen würden. Aus unserer Sicht ist das Einsparpotenzial durch technische Verbesserungen an den Motoren und an der Abgasreinigung und langfristig durch alternative Antriebe nochmals deutlich größer“, erläuterte John. Nicht zu unterschätzen seien neben der Abgasproblematik aber auch andere Schadstoffeinträge durch den Autoverkehr wie der Reifenabrieb, der bei einer reduzierten Geschwindigkeit ebenfalls zurückgehe und zu einer Verringerung der Mikroplastikbelastung führen könne.
Bedeutsamer als für den Klimaschutz sei ein generelles Tempolimit für die Sicherheit im Straßenverkehr. So sei in den 1980er Jahren, als Hessen auf einigen Autobahnabschnitten Tempo 100 angeordnet habe, die Zahl der Unfälle mit Toten und Schwerverletzten auf diesen Strecken teilweise um die Hälfte gesunken. „Und auch aus der neueren Zeit“, so John, „gibt es eindrucksvolle Belege dafür, dass ein Tempolimit für mehr Sicherheit sorgen kann, zum Beispiel die A4 zwischen Köln und Aachen: Dort gab es einen ausgesprochen unfallträchtigen Abschnitt, auf dem innerhalb von drei Jahren neun Menschen bei Unfällen ums Leben gekommen sind – seit im Herbst 2017 Tempo 130 angeordnet wurde, gab es dort nicht einen einzigen tödlichen Unfall mehr.“
John erklärte, dass ein generelles Tempolimit die so genannte „Differenzgeschwindigkeit“ verringere, also den Geschwindigkeitsunterschied zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Verkehrsteilnehmer auf der Straße. „Der Verkehrsfluss verbessert sich spürbar, wenn die Differenzgeschwindigkeit möglichst niedrig ist. Ein Tempolimit wäre also auch ein Mittel gegen die so genannten ‚Staus aus dem Nichts‘. Die entstehen, wenn ein sehr schnelles Auto wegen eines deutlich langsameren Fahrzeugs sehr stark bremsen muss. Diese Vollbremsung wird sozusagen nach hinten durchgereicht. Und wenn der erste bis zum Stillstand bremsen muss, dann stehen hinter ihm hunderte andere. Das lässt sich vermeiden, wenn alle ungefähr gleich schnell fahren“, sagte Knut John.
Ungeachtet aller guten Argumente gebe es aber in der deutschen Öffentlichkeit derzeit keine hinreichende Akzeptanz für eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf den deutschen Autobahnen. Knut John sagte: „Das ist in etwa so, als ob man in den USA ein Waffenverbot einführen wollte oder in Spanien den Stierkampf verbieten. Das Thema Tempolimit ist ein sehr emotionales, das sich nur langsam in die richtige Richtung entwickelt. Zwar befürworten inzwischen 57 Prozent der Menschen in Deutschland eine Geschwindigkeitsbegrenzung – aber auf 130, nicht auf 120 Stundenkilometer, wie die LINKE es fordert. Die SPD setzt sich für ein Tempolimit 130 auf Autobahnen ein, weil es sinnvoll ist. Aber wir müssen die Bürgerinnen und Bürger argumentativ und emotional mitnehmen, wenn wir hier Fortschritte erzielen wollen.“